Umfrage unter französischen, auf die Therapie der Alkoholabhängigkeit spezialisierten Suchtmedizinern

Die größte französische Fachvereinigung für Suchtmediziner mit Schwerpunkt Alkoholismus, die Société Française d’Alcoologie (SFA), führte im Sommer 2013 eine Umfrage betreffs Verschreibung von Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit unter ihren damals 622 Mitgliedern durch und kam zu interessanten Ergebnissen.
(pn, 02.10.2014)

Durchschnittliche und maximale Baclofen-Dosis

Durchschnittliche und maximale Baclofen-Dosis (Zum Vergrößern anklicken)

Von den 622 Mitgliedern angefragt wurden indes nur 484 (Quote 78 %), nämlich nur diejenigen, von denen eine E-Mail-Adresse vorlag. Von diesen 484 per Email angefragten Ärzten haben 302 geantwortet, was einer Rücklaufquote von 62 % entspricht. Von diesen 302 Antwortenden wiederum wurden 4 gestrichen, weil es sich entweder um nicht real praktizierende / behandelnde oder um inzwischen in Rente gegangene Ärzte handelte. Ausgewertet werden konnten somit die Erfahrungen von 298 Mitgliedern der Société Française d’Alcoologie. Anzumerken ist auch, dass die Umfrage bereits ca. ein halbes Jahr vor der Erteilung der auf drei Jahre befristeten französischen Zulassung (RTU) stattfand.

Als erstes wurde die Frage gestellt, ob der jeweilige Arzt / Therapeut das Medikament Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus verschreibt oder nicht. 76 Ärzte (25 % von 298) verneinten dies. Denen wurden dann die nachstehenden zwei Anschlussfragen gestellt, welche wie folgt beantwortet wurden:

  • Frage 1: Warum verschreiben Sie kein Baclofen für die Behandlung des Alkoholismus (Mehrfachantwort möglich)?
    • Wegen fehlender wissenschaftlicher Nachweise (81,3 %).
    • Es besteht ein zu hohes Risiko (41,2 %).
    • Ich verschreibe keine Anti-Craving Medikamente (6,3 %).
    • Mir fehlt die persönliche Erfahrung im Umgang mit Baclofen (25,4 %).
    • Ich hatte es versucht, fand dann aber, dass das Medikament nicht wirkt (7,9 %).
    • Ich hatte es versucht, fand dann aber, dass es zu viele Nebenwirkungen gibt (6,3 %)
  • Frage 2: Würden Sie Baclofen gegen Alkoholismus verschreiben, wenn es eine vorgezogene, befristete Zulassung (RTU) gäbe?
    • Ja (29,5 %)
    • Nein (21,3 %)
    • Ich weiß nicht (49,2 %)

Den Mitgliedern der SFA, welche ihren Patienten das Medikament Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus tatsächlich verschreiben, es waren 222 an der Zahl und damit immerhin 75 % der antwortenden Ärzte, konnten dann weitere Detailfragen gestellt werden:

  • Frage A: Wie vielen Patienten haben Sie Baclofen gegen Alkoholmissbrauch verschrieben?
    • Weniger als 10 Patienten (36,5 %)
    • 11 bis 30 Patienten (42,7 %)
    • 31-60 Patienten (11,8 %)
    • Mehr als 60 Patienten (9 %)
  • Frage B: Haben Sie dabei vor der Verschreibung von Baclofen bei den einzelnen Patienten eine andere, zugelassene Therapieform versucht?
    • Nie (16,3 %)
    • Manchmal (15,9 %)
    • Oft (28,3 %)
    • Immer (39,5 %)
  • Frage C: Welches ist das hauptsächliche therapeutische Ziel, wenn Sie Baclofen verschreiben (Mehrfachnennung möglich)?
    • Reduktion des Alkoholkonsums (21,5 %)
    • Aufrechterhaltung einer Abstinenz (23 %)
    • Beides (55,5 %)
  • Frage D: Unter welchen Umständen bevorzugen Sie, mit der Baclofen-Therapie zu beginnen?
    • Hauptsächlich, wenn der Patient bereits abstinent ist (24,9 %)
    • Hauptsächlich, wenn der Patient noch nicht abstinent ist (32,2 %)
    • In beiden der oben genannten Situationen (42,9 %)
  • Frage E: Wie hoch ist für gewöhnlich die wöchentliche Dosissteigerung?
    • Weniger als 10 mg / Woche (4,3 %)
    • 10 mg / Woche (56 %)
    • 20 mg / Woche (14,5 %)
    • 30 mg / Woche (18,8 %)
    • 40 mg / Woche (0 %)
    • 50 mg / Woche (0,5 %)
    • 60 mg / Woche (3,4 %)
    • 70 mg / Woche (0 %)
    • Mehr als 70 mg / Woche (2,5 %)
  • Frage F: Haben Sie für sich selbst eine Maximaldosis festgelegt, die Sie im Normalfall nicht überschreiten?
    • Ja (61,2 %)
    • Nein (38,8 %)
  • Frage G: Welches ist die höchste Dosis, die Sie jemals verschrieben hatten?
    • Durchschnitt der Antworten: 188 ± 93,3 mg / Tag
  • Frage H: Welches ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis die Sie verschreiben?
    • Durchschnitt der Antworten: 109,5 ± 43,6 mg / Tag
  • Frage I: Wie lange lassen Sie Ihre Patienten auf der maximalen Dosis verharren?
    • Weniger als drei Monate (21,1 %)
    • Drei bis sechs Monate (37,3 %)
    • Sechs bis zwölf Monate (28,3 %)
    • Mehr als zwölf Monate (13,3 %)
  • Frage J: Versuchen Sie nach einer gewissen Zeit die Maximaldosis zu verringern, um z.B. Nebenwirkungen aus dem Weg zu gehen?
    • Nie (3,7 %)
    • Manchmal (27 %)
    • Oft (49,7 %)
    • Immer (19,6 %)
  • Frage K: Wie verteilen Sie die Gesamtdosis über den Tag?
    • Drei gleiche Gaben jeweils zu den Mahlzeiten (57,4 %)
    • Entsprechend den Bedürfnissen der Patienten (Craving / Verträglichkeit) (39,6 %)
    • Mehr als Drei Gaben pro Tag (2,4 %)
    • Andere (0,6 %)
  • Frage L: Wie oft verschreiben Sie gleichzeitig mit Baclofen auch andere, zugelassene Medikamente gegen Alkoholismus (Acamprosat, Naltrexone, Antabus)?
    • Nie (53,4 %)
    • Manchmal (38,5 %)
    • Oft (7,5 %)
    • Immer (0,6 %)
  • Frage M: Wie effizient ist Baclofen Ihrer persönlichen Meinung nach im Vergleich zu anderen, zugelassenen Medikamenten?
    • Sehr viel effizienter (16,3 %)
    • Effizienter (38 %)
    • Gleich effizient (36,7 %)
    • Weniger effizient (8,4 %)
    • Sehr viel weniger effizient (0,6 %)
  • Frage N: Was ist Ihre persönliche Meinung betreffend sicherer Anwendung von Baclofen im Vergleich zu anderen, zugelassenen Medikamenten gegen Alkoholismus?
    • Sehr viel sicherer (1,2 %)
    • Sicherer (5,8 %)
    • Gleich sicher (30,4 %)
    • Weniger sicher (50,3 %)
    • Sehr viel weniger sicher (12,3 %)
  • Frage O: Bei welchem Anteil Ihrer Patienten hat sich deren Zustand mit Baclofen signifikant und dauerhaft verbessert?
    • Bei 0 % (4,2 %)
    • Bei 10 % (10,3 %)
    • Bei 20 % (13,3 %)
    • Bei 30 % (15,2 %)
    • Bei 40 % (9,7 %)
    • Bei 50 % (24,2 %)
    • Bei 60 % (10,3 %)
    • Bei 70 % (8,5 %)
    • Bei 80 % (4,3 %)
    • Bei 90 % (0 %)
    • Bei 100 (0 %)
  • Frage P: Welcher Anteil Ihrer Patienten musste die Baclofen-Therapie wegen nicht mehr tolerierbarer Nebenwirkungen abbrechen?
    • 0 % (5,2 %)
    • 10 % (23,3 %)
    • 20 % (26,2 %)
    • 30 % (16,9 %)
    • 40 % (9,3 %)
    • 50 % (7 %)
    • 60 % (4,1 %)
    • 70 % (2,3 %)
    • 80 % (2,3 %)
    • 90 % (2,3 %)
    • 100 (1,1 %)
  • Frage Q: Wie viele Nebenwirkungen haben Sie den zuständigen Stellen der Medikamenten-Überwachungsbehörde gemeldet?
    • Keine (79,7 %)
    • Eins bis vier (13,7 %)
    • Fünf bis 29 (5,9 %)
    • Dreißig und mehr (0,7 %)
  • Frage R: Wie oft schreiben Sie „Off-Label“ auf Ihr Baclofen-Rezept?
    • Nie (48,6%)
    • Manchmal (12,1 %)
    • Oft (9,2 %)
    • Immer (30,1 %)
  • S: Wie oft schreiben Sie „Nicht erstattungsfähig“ auf Ihr Baclofen-Rezept?
    • Nie (69,5 %)
    • Manchmal (9,2 %)
    • Oft (6,3 %)
    • Immer (15 %)

Zusammenfassend kann man folgende Aussagen treffen:

  •  75 % der Antwortenden Ärzte / Therapeuten gaben an, ihre alkoholabhängigen Patienten mit Baclofen zu behandeln.
  • Die Hauptgründe für das Nichtverschreiben von Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit sind fehlende wissenschaftliche Nachweise, ein als zu hoch eingeschätztes Risiko und fehlende Erfahrung im Umgang mit dem Medikament.
  • 91 % der Antwortenden und mit Baclofen Behandelnden schätzen Baclofen als mindesten „gleich effizient“ bis „sehr viel effizienter“ ein als vergleichbare, zugelassene Medikamente. 54 % sind der Meinung, Baclofen sei „effizienter“ oder sogar „sehr viel effizienter“. Und je mehr Patienten die jeweiligen Ärzte / Therapeuten jeweils betreuten (Frage A), umso positiver fiel auch ihr Urteil aus.
  • 57 % der Antwortenden und mit Baclofen Behandelnden stellten eine signifikante und dauerhafte Verbesserung des Zustandes ihrer Patienten in 40 bis 80 Prozent der Fälle fest.
  • Als etwas kritisch wird das Thema „Sicherheit“ der Baclofen-Therapie angesehen und der Umstand, dass die Behandlung manchmal wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (Nebenwirkungen) abgebrochen werden muss.

Lesen Sie hier den englischen Fachartikel im Original: Off-Label Baclofen Prescribing Practices among French Alcohol Specialists: Results of a National Online Survey

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